In neuem Glanz: Die historische Fahne des Jägerkorps zu Grabow

In neuem Glanz: Die historische Fahne des Jägerkorps zu Grabow

Die engagierten Schützenschwestern und Schützenbrüder aus Grabow halten in ihrer bunten Fachwerkstadt an der Elde eine lange Tradition lebendig und präsentierten im Rahmen des Kreisschützenfestes im September 2021 eines der Bühnenhighlights: Die feierliche Enthüllung der restaurierten Fahne des Jägerkorps zu Grabow.
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Museum Grabow

 An zwei Wochenenden wurde im September vor dem Landratsamt in Parchim der zehnjährige Geburtstag des Landkreises Ludwigslust-Parchim gefeiert. Das 19. Kreisschützenfest bildete bei schönem Sonntagswetter eine gelungene Open-Air-Veranstaltung zum Ausklang der Festivitäten. 

Bereits vor Veranstaltungsbeginn richtete Kathleen Bartels, Bürgermeisterin der Stadt Grabow und Patronin der Grabower Schützenzunft, im neu eröffneten Solitär einen Empfang für die am Restaurierungsprojekt beteiligten Ehrengäste aus, unter ihnen Landrat Stefan Sternberg, der Vizepräsident Finanzen des Deutschen Schützenbundes Gerd Hamm, der Vorsitzende des Fördervereins des Landesschützenverbandes M-V Erhard Vick und der Präsident des Kreisschützenbundes Enrico Faust. Die gespannt erwartete Präsentation der restaurierten Schützenfahne aus dem 19. Jahrhundert erfolgte dann öffentlich auf der Bühne vor dem Landratsamt. 

Nachdem Landrat Stefan Sternberg alle Schützenvereine mit der Überreichung eines Ehrenbandes für ihre Schützenfahnen würdigte, folgte auf der Bühne der besondere Programmpunkt der Stadt Grabow. Moderiert von René Möller, 1. Vizepräsident des Kreisschützenbundes LUP, enthüllte Kathleen Bartels unter viel Beifall die historische Schützenfahne aus der Sammlung des Museum Grabow. 

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Foto: Simona Pries
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Foto: Simona Pries

1848 - eine bedeutsame Jahreszahl

 Restauriert wurde eine historische Schützenfahne aus der Sammlung des Museum Grabow sowie eine zugehörige Fahnenschleife zum 50jährigen und ein Fahnenbanner zum 75jährigen Stiftungsfest. Obwohl die Recherche keinen gesicherten Rückschluss auf eine Fahnenweihe in den Jahren 1848 oder 1849 zulässt, ist es doch sehr wahrscheinlich, dass die Fahne aus den Gründungsjahren des Jägerkorps stammt. Damit ist sie ein seltenes Zeitzeugnis einer bedeutsamen Epoche des Umbruchs in Europa und in Deutschland.  

Die Doppelblattfahne zeigt auf der Vorderseite ein Jagdhorn mit Hirschfänger, umkränzt von Eichenlaub, welches unten mit einer schwarz-rot-goldenen Schleife gebunden ist. Das rückseitige Blatt trägt den Schriftzug „Jäger Corps zu Grabow 1848“. 

Die Festschrift zum 75jährigen Bestehen des Jägerkorps schildert die Entstehungsgeschichte: 

„Als in den Wintermonaten 1847/48 überall Unruhen ausbrachen, die auch in Grabow ihren Eingang zu finden drohten, traten in Rücksicht darauf, dass die Polizei nur einen verhältnismäßig geringen Schutz bot, 22 angesehene Bürger unserer Stadt zusammen und kamen überein, abwechselnd jede vierte Nacht mit fünf Mann den Schutz des persönlichen Eigentums auszuüben. Diese 22 Grabower Bürger, die sich ihre Führer selbst gewählt und durch die gemeinsamen Patrouillengänge einander näher kennen und schätzen gelernt hatten, beschlossen alsdann am 6. August 1848 die Gründung des Jägerkorps zu Grabow, indem sie die noch heute im allgemeinen gültige Satzung errichteten.“

Im Mai 1849 trat das Jägerkorps dann als selbständiges Korps mit eigener Satzung in die Grabower Schützenzunft ein. 

 

Die Spuren der Zeit erhalten

Die Textilrestauratorin Susanne Buch aus Rostock nahm eine aufwendige konservatorische Restaurierung der Fahne und der beiden schmuckvollen Fahnenschleifen vor, immer unter dem Aspekt, die Spuren der Zeit und damit die „Würde der Fahne“ zu wahren. 

Die Doppelblattfahne mit Fahnengrund aus flaschengrüner Seide und Zwischengewebe aus Baumwolle ist beidseitig mit Ölfarben bemalt und an drei Seiten mit Bouillonfransen umrandet. Die Fahnenschleife „Zum 50jährigen Jubiläum 1848 / Das Gardekorps 1898“ und der Fahnenbanner mit Baldachin „Zum 75jährigen Stiftungsfeste, gewidmet von den Damen des Jägerkorps, 1923“ sind kunstvoll bestickt und mit Posamenten geschmückt. 

Beide Seiten der Fahne wiesen einen unterschiedlichen Erhaltungszustand auf. Die Vorderseite war besonders im bemalten Bereich geschädigt. Es waren Risse vorhanden und Fehlstellen im Gewebe. Die Rückseite wies lange senkrechte Risse in den Randbereichen auf. Zudem hat sich die Seide im Laufe der Zeit verändert, sie ist ausgeblichen, von chemischen Zersetzungsprozessen angegriffen, stark porös. Auch die Farbschicht ist gebrochen, insbesondere in den gerissenen Gewebebereichen. Über mehrere Jahre gepresst zwischen zwei Plexiglasscheiben aufbewahrt, war die Fahne zudem sehr zerknittert und faltig. Die Fahnenschleife ist sehr porös, die Stickerei in gutem Zustand, allerdings oxydiert. 

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Foto: Susanne Buch
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Foto: Susanne Buch

Das Restaurierungskonzept sah eine Reinigung und eine objektschonende Konservierung vor. Die Fahne wurde aus dem Plexiglaskorsett befreit und zunächst fachgerecht gereinigt und so gut geglättet wie möglich, ohne Seide und Farbfassung zusätzlich zu strapazieren. Das gerissene Trägergewebe wurde mit speziell beschichteter und gefärbter Restaurierungsseide unterlegt und thermisch verbunden, die Schadstellen so geheilt. Besonders stark gefährdete Bereiche der Rückseite wurden mit Tüll abgedeckt, um auch künftig diesen fragilen Bereich zu schonen. Fahnenschleife und -banner wurden schonend geglättet, es wurde Seidengewebe unter die Risse gelegt und gleichzeitig mit Tüll abgedeckt, auch auf der Rückseite der Fahnenschleife. Der Fahnenbanner wurde mit Seidengewebe abgefüttert, auch unter dem Baldachin, die gestickte Oberseite vollständig mit Tüll abgedeckt, um lose Gewebeschollen zu schützen. 

Für die museale Präsentation fertigte die Restauratorin einen Schaukasten aus getesteten Mate-rialien an, bestehend aus einer mit speziellem Gewebe überzogenen Pappelholzrückwand mit Plexiglashaube. In dieser Vitrine ist die Fahne mittels einer Magnetschiene fixiert und unter die Fahne ein Vlies gelegt, um die Zugkräfte zusätzlich zu mildern. 

Bei optimal 50% Luftfeuchte, maximal 50 Lux und einer Temperatur von 20°Celsius wird die Schützenfahne des Jägerkorps zu Grabow in Zukunft im Museum Grabow wieder Teil der Dauerausstellung sein und den Blickfang im Ausstellungsraum zur Schützenzunft bilden. 

Das Restaurierungsprojekt konnte Dank der finanziellen Unterstützung von der Stiftung Sparkasse Mecklenburg-Schwerin, dem Landkreis Ludwigslust-Parchim, der Stiftung Deutscher Schützenbund, der Grabower Bürgerstiftung „Säulen von Grabow“, dem Verein zur Förderung des Landesschützenverbandes M-V sowie der Grabower Schützenzunft von 1655 vorgenommen werden. 

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Foto: Susanne Buch
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Foto: Susanne Buch

Eine lange Tradition

Die Grabower Schützenzunft folgt einer langen Tradition. Gegründet wurde sie im Jahr 1655 unter dem Protektorat von Adolf Friedrich I., Herzog zu Mecklenburg-Schwerin. Die Gründung liegt wahrscheinlich sogar länger zurück, im Jahr 1620, doch die Dokumente, die dies eindeutig belegen könnten, fielen dem „Großen Brand von Grabow“ von 1725 zum Opfer. In Folge des Dreißigjärigen Krieges (1618-1648) mit Hungersnöten und Seuchen, wurde im Privileg zur Grabower Schützenzunft verlangt, den Bürgern den Umgang mit der Waffe zu lehren und einen Beitrag zur angemessenen Bestattung der Toten zu leisten. Von dieser Pflicht zeugt übrigens noch heute mit ihrem historisch gewachsenen Namen und der Kleiderordnung die „Schwarze Zunft“, gegründet 1996 als fester Bestandteil der Grabower Schützenzunft. 

Eine Zäsur erfährt das Schützenwesen durch das Verbot der Schützenvereine nach Ende des 2. Weltkrieges durch die Alliierten, welches, anders als in der neu gegründeten Bundesrepublik, in der DDR bestehen blieb. Die Wiederbelebung und Wiedergründung der Grabower Schützenzunft von 1655 e. V. erfolgte zu Beginn der 1990er Jahre. Auch das Jägerkorps ist im Verein vertreten und tritt seit dem Jahr 2000 mit einer qualitativen Replik ihrer historischen Fahne auf. 

In 2015 wurde das „Schützenwesen in Deutschland“ von der Deutschen UNESCO-Kommission in das bundesweite Verzeichnis des immateriellen Kulturerbes aufgenommen und dadurch für seinen Wert als wichtiger, historisch gewachsener und lebendiger Teil der regionalen bzw. lokalen Identität gewürdigt. 

Vor diesem Hintergrund erhält die Fahne des Jägerkorps eine noch tiefere Symbolkraft, denn in ihr ist die Erinnerung an die Leitideen und den Grundrechtskatalog der 1848er verwoben, die seitdem zu den bedeutendsten demokratischen Traditionen der Bundesrepublik Deutschland zählen.

Isabel-Kristin Jauch 
Museumsleiterin Grabow